Daily Lena

 

Material Girl: Better News

Gepostet von um 07:25 Uhr

Better News ist derjenige Song auf Stardust, der bei mir beim ersten Hören die skurrilste Assoziation von allen verschaffte, nämlich – meine Leser dürfen mir dafür gerne den Vogel zeigen – die Erinnerung an eine Fernsehserie aus den Siebzigern namens Herr Rossi sucht das Glück. Genauer gesagt, an den Titelsong und dessen darin verkündetes lebensfreundliches Wunschprogramm – an den Rest der Serie erinnere ich mich kaum. In dem Song zählt eine männliche Stimme auf, was Herr Rossi alles zum Glück fehlt, und das sind durchweg materielle Dinge – Eis vom Nordpol, flambiert mit Punsch, drei Stück Kuchen, sechs Kaffee, zwanzig Törtchen, dazu Tee, ein feines Auto, Sekt statt Milch. Frauenchöre rufen immer wieder fordernd „Was noch? Was noch? Was noch?“ dazwischen, und ja, Herr Rossi will noch mehr, und wir als Zuschauer sympathisieren mit dem kleinen Herren und finden auch, dass er noch mehr bekommen sollte. Dabei geht es gar nicht darum, möglichst viel zu besitzen. Sondern darum, auch teilzuhaben am schönen Leben, zu dem eben auch die sinnlichen Freuden gehören – zum Beispiel auch Sonne, Sonne, Blumen, Blumen, zwanzig Blumen, oder ein Kuss, oder zwei.

Diese ein, zwei Küsse gehören zu den vielen anderen, größtenteils recht handfesten Dingen, die Lenas Stimme im Refrain von Better News für sich einfordert – einem Song, der musikalisch sicher nicht zu den aufregendsten Stücken auf Stardust gehört. Better News ist ein zeitloser Happy-go-Lucky-Popsong, wie man ihn sich so ähnlich auch schon in den Sechzigern hätte vorstellen können, von einer frohen, positiven Stimmung geprägt, sich beim Hörer einschmeichelnd, ohne ihn unbedingt mitzureißen. Und er ist der vielleicht einzige Song auf Stardust, der trotz nur dreiminütiger Länge fast eine Minute zu lang scheint: Nach dem durchaus stimmungsvollen Druckaufbau – die erste Strophe ist nur von Gesang und Piano getragen, danach steigert sich die Rhythmussektion über den ersten Refrain und die zweite Strophe schrittweise, um dann schließlich im zweiten Refrain zu vollem Einsatz zu kommen – hat Better News nach eineinhalb Minuten sein Pulver schon ein wenig verschossen. Die letzte Minute besteht im Grunde nur noch aus Repetition mit immer mehr ergänzten Chören, die zumindest mir etwas zu viel des Guten sind.

Aber dennoch, Lenas Stimme gibt auch diesem Song einen eigentümlichen Reiz – eine Stimme, die eigentlich durchaus zufrieden klingt, ja die verzückte, fast hymnisch klingende Töne anschlägt, wenn sie in den Strophen lauter schöne Dinge um sich herum beschreibt – zwitschernde Vögel, hübsche Blumen, lächelnde Menschen, verliebte Kinder –, dann aber überraschend verkündet, dass ihr das alles noch nicht genüge. Zwar verlange sie, wie sie immer wieder kokett beteuert, wirklich nicht zu viel, aber dennoch, taller shoes, sweeter juice, new tattoos und faster food dürfen es schon noch sein, die Küsse nicht zu vergessen – all dies trägt sie im Refrain noch immer voller Lebensfreude, aber doch auch selbstbewusst fordernd vor. Wem dabei die gewünschten Better News gelten sollen, der Protagonistin oder dem Rest der Welt, bleibt offen (übrigens, die augenzwinkernde Referenz an den Titel des Vorgängeralbums springt zwar ins Auge, ansonsten gibt es aber keine thematischen und musikalischen Bezüge zwischen diesen Songs – zumindest ich konnte keine entdecken).

Nun könnte man diese Stimme, die all das fordert, natürlich etwas oberflächlich finden. Aber ich halte sie so wenig dafür wie oben erwähnten Serien-Song. Ich mag diesen frechen Widerspruch gegen die Behauptung, dass ein Blick auf ein paar zwitschernde Vögel oder andere glückliche Menschen immer schon ausreichen soll zum eigenen Glück. Bescheidenheit ist eine Tugend. Aber ich hege ein natürliches Misstrauen gegen Menschen, die die Selbstgenügsamkeit anderer Leute allzu auffällig laut bejubeln, und umgekehrt gilt meine Sympathie allen Menschen, die die schönen Dinge im Leben – nicht nur die ideellen, sondern auch die, die man anfassen kann (und die, wenn sie denn glücklich machen, natürlich auch ideell sind) – ganz unbescheiden auch für sich einfordern. Nicht um mehr zu besitzen, sondern um am Leben zu sein. Deswegen ist mir die Stimme in Better News – und ihre ja doch sehr eigenen, sehr spleenigen, sehr liebenswerten Wünsche – mindestens ebenso sympathisch wie Signore Rossi. Und beide verlangen auch wirklich nicht zu viel.

 

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