Noch ein Cover: Moonlight, das in der von Mayaeni Strauss gesungenen Originalfassung Verwendung im amerikanischen Fernsehen fand, stammt aus der Feder desselben Autorenteams wie Lenas Top-5-Hit Bee: nämlich Per Kristian „Boots“ Ottestad, Rosi Golan und der Originalinterpretin selbst, die unter dem Namen Mayaeni auftritt. Es handelt sich um einen sehr amerikanischen Country-Folk-Rocksong im schwülen Südstaaten-Stil der frühen Siebziger Jahre, den Lena ebenso kraft- wie gefühlvoll und mit einem wohlbemessen erotischen Timbre interpretiert.
Dabei begeistert mich als langjährigen Who-Fan auch die frappierende Nähe dieses Liedes zu dem kleinen, aber feinen Love Ain’t for Keeping vom großen 1971er Who’s-Next-Album. Die Gemeinsamkeiten beschränken sich freilich nicht auf Rhythmus und Thematik; als Bonustrack auf der iTunes-Special-Edition von Stardust wird Moonlight ebenso ein Geheimtip bleiben wie sein weithin unterschätztes Who-Pendant.
Neben seinem unwiderstehlichen Groove fasziniert der Song aber auch als besonders eindrucksvoller Beleg für die außergewöhnliche stilistische Vielfalt, die Lenas Werk auszeichnet. SPIEGEL-Redakteur Tobias Rapp sagte in der Radio-Eins-Sendung Soundcheck vom 12. Oktober etwas sehr Kluges dazu: dass nämlich Lena als echter Popstar für alle da ist, anders als jene Szenehelden, die lediglich mit Popstargesten spielen, ansonsten aber nur für ihre Dreieinhalb-Leute-Peergroup singen. Wenn man Lenas bisheriges Schaffen Revue passieren lässt, wird deutlich, dass sie außer Punkrock, Heavy Metal (samt Anverwandten) und volkstümlichem Schlager bereits so gut wie alle populären Musikstile in ihr Repertoire aufgenommen hat. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sie weiterhin von Menschen aller Altersgruppen und beiderlei Geschlechts rezipiert, geschätzt und geliebt wird. Damit steht sie freilich in der tiefen teutonischen Popprovinz, in der wie im 18. Jahrhundert bornierteste Szenen-Kleinstaaterei fröhliche Urständ feiert, wie eine einsame Abgesandte aus der großen weiten Popwelt ziemlich alleine – was für Lena allerdings auch den Vorteil hat, dass ihr offenkundig niemand ihren Platz streitig machen kann. Sollte sie dereinst eine mehrjährige Auszeit vom Popbusiness nehmen, werden wir wohl schon bald darauf wieder das Tumbleweed durch den heimischen Popmarkt rollen sehen.
Morgen: Don’t Panic