Daily Lena

 

Her Own Secret Escape: Don’t Panic

Gepostet von um 07:45 Uhr

… und als unsere junge Heldin auf der Flucht vor den Rauchschwaden an der Rezeption um die Ecke stürmt, mit schmerzendem Rücken und schmerzenden Füßen und ziemlich außer Puste – da steht er endlich vor ihr, der Mr. Arrow Key. Der, den sie so lange gesucht hat, with his mustache and his kind eyes, da ist er nun – und alles, was der Kerl ihr zu sagen hat, sind zwei verdammte Worte. Aber das ist, wie man in den zweieinhalb Minuten des gleichnamigen Songs hören kann, mehr als genug.

Ein Album mit einer Gänsehautballade abzuschließen, und sei es die Mutter aller Gänsehautballaden, dafür ist Lena dann doch zu unpathetisch. Und außerdem konnte sie nach Good News unmöglich noch eine Platte beenden, ohne wenigstens einmal geflucht zu haben (was immer aus dem herrlichen Get the fuck away auf einer hypothetischen US-Veröffentlichung werden soll). Nachdem ihre ersten beiden Alben mit Wonderful Dreaming und At All eher sanft ausgeblendet als wirklich abgeschlossen wurden, befördert sie uns aus ihrem ersten in Eigenregie entstandenen Werk mit einem fröhlichen Kick hinaus und beschert dem Reigen der zwölf Stardust-Stücke einen runden Abschluss. Don’t Panic, der kürzeste Song des Albums, ist gesanglich noch einmal ein kleines Feuerwerk an Lenaismen. Über einem von Klavier und Schlagzeug vorangetriebenen, recht simpel, aber schön nach vorne rumpelnden Rhythmus hören wir wieder die jazzende miauende exaltiert kieksende überdreht kokettierende interpretationsfreudige LML – schon die vier den Rhythmus unterbrechenden „Au-aus“ haben es mir da angetan –, also all das, was Lenas Gesang von Anbeginn auszeichnete und was auf Stardust erstmals adäquat im Studio festgehalten wurde; all das, was Dave Lombardo mit einem meiner Meinung nach unübersetzbaren englischen Wort als sassy bezeichnete.

In den Strophen singt Lena in vieldeutigen Anspielungen von jenem Feueralarm in einem Londoner Hotel, der sie zu dem Song inspirierte. Der Refrain handelt von diversen Untergangsszenarien – Autounfällen, Flugzeugabstürzen, globalen Katastrophen – und dass alles eben komme, wie es komme, und, da man eh nichts machen könne, auch egal sei. Bei diesem fröhlich verkündeten Fatalismus klingt Lenas Stimme aber nie so abgezockt, dass man ihr die Paniklosigkeit ganz abkauft, eher wird der bereits Mr. Arrow Key auszeichnende kämpferische Trotz wieder hörbar. Mit diesem gelingt es ihr spätestens im mehrstimmigen Finale, das Wort „Weltuntergangsstimmung“ mit Pauken und Trompeten ins Positive zu wenden.

In der Bridge adressiert Lena ein Gegenüber: Wie willst du wissen, was ich brauche, was ich fürchte, wenn ich es nicht mal selber weiß? Ich will nicht darüber reden, nichts darüber hören. Diese Worte richten sich natürlich zunächst an den, der da im Song mit Lena „auf der Flucht“ ist. Aber auch der Hörer, der ja zu den von Lena oft erwähnten Millionen Menschen gehört, die sich über sie eine Meinung gebildet haben, darf sich ein wenig angesprochen fühlen. Lenas own secret escape wird ihm für immer verborgen bleiben. Was sie daraus, wenn sie Kräfte gesammelt hat, wieder mitbringt, wird ihn umso mehr erfreuen. Deswegen darf er die Worte Don’t Panic auch als Tipp und Mahnung für die Wartezeit bis zum nächsten Album mitnehmen.

 

Morgen: Goosebumps